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Defibrillation

Die Defibrillation ist eine Behandlungsmethode gegen die lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen Kammerflimmern und Kammerflattern, bei der durch starke Stromstöße die normale Herzaktivität wieder hergestellt werden soll. Das verwendete Gerät nennt man Defibrillator oder im Medizin-Jargon Defi.

Indikationen

Die Defibrillation kann ausschließlich im Rahmen der Reanimation beim sogenannten Kammerflimmern, beim Kammerflattern, sowie bei der pulslosen ventrikulären Tachykardie eingesetzt werden.

  • Kammerflimmern bedeutet, dass durch eine fehlerhafte Erregungsbildung am Herzen alle Herzmuskelzellen zittern, aber zu keiner koordinierten Aktion fähig sind. Dadurch kann das Herz nicht mehr pumpen, es entsteht ein Kreislaufstillstand. Es ist kein Puls mehr tastbar.

  • Kammerflattern zeigt den gleichen pathologischen Mechanismus wie das Flimmern, unterscheidet sich jedoch in der Frequenz der Flimmerwellen, wobei abhängig vom Autor unterschiedliche Werte angegeben werden (ab 280-350/min).

  • Die ventrikuläre Tachykardie (VT) kann in eine pulslose und eine pulsatile unterschieden werden, wobei die pulslose VT eine absolute Indikation zur Kardioversion (Sonderform der Defibrillation) darstellt. Die VT zeigt gleichmäßige schnelle Erregungen, die von den Herzkammern ausgehen, und nicht wie üblich von den Erregungszentren im Herzvorhof.

In den beschriebenen Situationen werden alle Organe nicht mehr mit Blut versorgt, die Rhythmusstörungen enden daher unbehandelt innerhalb von Minuten tödlich. Kammerflimmern ist die häufigste tödliche Herzrhythmusstörung bei Erwachsenen. Die jeweiligen Diagnosen können mit einem einfachen 3-Kanal-EKG gestellt werden.

Ursache für beides kann zum Beispiel ein Herzinfarkt sein. Aber auch Stromschläge oder Medikamenten- und Drogenintoxikationen (z.B. die hochgiftige Bio-Droge Eibe) können diese Störungen verursachen.

Zeigt das Herz überhaupt keine elektrische Aktivität (Asystolie) oder bewirkt die elektrische Aktivität keinerlei mechanische Reaktion des Herzens (PEA - Pulslose elektrische Aktivität, bzw. EMD - Elektro-Mechanische Dissoziation), hat eine Defibrillation keinen Zweck.

Therapieprinzip

Die Aktivität der Herzmuskelzellen wird durch elektrische Signale gesteuert. Bei den defibrillierbaren Rhythmusstörungen ist die Weiterleitung dieser Reize gestört, so dass im betroffenen Muskelgewebe ungeordnete elektrische Signale fließen.

Kammerflimmern führt unmittelbar zu einem kompletten Zusammenbruch des Kreislaufs, da aufgrund eines elektrischen Chaos des Herzens eine geordnete und mechanisch effiziente Kontraktion nicht möglich ist. Die einzig effektive Therapie besteht in der Abgabe eines elektrischen Stromimpulses, der Defibrillation. Dass mittels Defibrillation Kammerflimmern beendet werden kann ist seit vielen Jahren bekannt. Die physiologischen Prinzipien, nach denen die Defibrillation wirkt sind dagegen lediglich partiell verstanden. Zwei verschiedene Theorien versuchen, die Defibrillation zu erklären: Einerseits wird angenommen, dass durch Defibrillation einer ausreichend großen Menge des Myokards ? es werden etwa 70% angenommen ? intramyokardial ?Barrieren? aus refraktärem Myokard entstehen. An diesen laufen sich die Fronten der Automatie ?tot?. Eine weitere Hypothese nimmt an, dass durch die Defibrillation ein grenzwertiger Spannungs-Gradient erzeugt wird (etwa 6 V/cm). Dieser führt zu verlängerter Repolarisation, an der sich die Fronten der Automatie brechen. Tierexperimentelle Befunde sprechen dafür, dass die letztgenannte Hypothese die plausiblere ist. Eine effektive Defibrillation des Kammerflimmerns ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass durch die Schock-Entladung die kreisenden Erregungsfronten beendet werden und höher angeordnete Zentren des Herzrhythmus ihre Funktion wieder aufnehmen. Im Falle einer ineffizienten Defibrillation wird durch den Schock zwar das Kammerflimmern beendet. Aber weil weiter Automatismen um partiell refraktäres Myokard kreisen wird das Kammerflimmern neu initiiert.

Vorgehen im Rahmen der Reanimation

Bei der Defibrillation werden die "Paddles" (Kontakte) des Defibrillators mit dem Brustkorb des Patienten in Kontakt gebracht. Bei Laiendefis handelt es sich um einmal verwendbare Klebe-Elektroden, im medizinischen Bereich verwendet man "harte" Elektroden, die vom Bediener angepresst werden. Die Position der Elektroden wird so gewählt, dass der Strom zwischen ihnen durch das Herz fließt. Auch bei optimaler Positionierung erreichen durch den Widerstand von Haut und Gewebe nur etwa vier Prozent der Energie den Herzmuskel.

Beim Erwachsenen wird zunächst mit einer Energie von 200 Joule (1 Joule = 1 WattSekunde) defibrilliert. Erreicht der erste "Schock" nicht die gewünschte Wirkung, wird sofort erneut mit 200 J defibrilliert um den sog. "Bahnungseffekt" zu nutzen bei dem in der Haut besser leitfähige Bahnen entstehen die im zweiten Schock mit geicher Energie mehr Strom an den Herzmuskel bringen. Anschließend wird die Energie auf 360 J erhöht und ein weiterer Versuch unternommen. Bleibt auch dieser erfolglos, wird zunächst mechanisch und medikamentös weiter reanimiert (Herzmassage). Damit soll erreicht werden, dass das Herz und die anderen Organe ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.

Nach ca. einer Minute wird erneut ein Dreier-Zyklus mit je 360 J probiert, anschließend wieder reanimiert. Bei Misserfolg kann dieser Zyklus nach einer Minute wiederholt werden. Danach wird man die Defibrillationshäufigkeit deutlich reduzieren: Jeder "Schock" verursacht verbrennungsähnliche Gewebeschäden. Zudem sinkt in fast allen Fällen die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Reanimation massiv ab, wenn bereits mehrfach erfolglos defibrilliert wurde, was auch ein Anzeichen für eine lange Reanimationsdauer ist. Ausnahmen sind hypotherme (unterkühlte) und vergiftete Patienten.

Zwischen den Defibrillationsversuchen wird der Patient üblicherweise intubiert und es werden Medikamente verabreicht, die die Herzkraft steigern sollen, gleichzeitig aber die Erregbarkeit senken.

Bei einem Herzstillstand ohne sichtbare elektrische Aktivität (Asystolie) kann Suprarenin (ein Adrenalin-Präparat) gegeben werden, um das Herz zum Schlagen oder wenigstens zum Flimmern zu bringen. Anders als in schlechten Filmen wird es jedoch nicht direkt in den Herzmuskel injeziert, sondern entweder über eine Vene oder über den Endotrachealtubus gegeben. Die endobronchiale Applikation ist jedoch nur bei wenigen Medikamenten sinnvoll möglich, der Wirkstoff wird dabei über die Alveolen aufgenommen.

Gefahren

Wird eine Defibrillation bei normalen Herzrhythmus versehentlich durchgeführt (z.B. bei Bewusstlosigkeit aus anderer Ursache), kann dadurch Kammerflimmern ausgelöst werden. Geräte, die für die Bedienung durch medizinische Laien vorgesehen sind, prüfen daher selbstständig den Herzrhythmus des Patienten und lehnen gegebenenfalls die Abgabe eines Stromstoßes ab.

Darüber hinaus ist es bei einer Defibrillation wichtig, dass die Helfer nicht leitend mit dem Patienten verbunden sind (z. B. durch Berührung des Patienten), da sie sonst einen Teil der Energie abbekommen könnten.

Geräte

Mittlerweile gibt es neben manuellen Defibrillatoren auch halbautomatische und vollautomatische.

Manueller Defibrillator

Bei einem manuellen Defibrillator entscheidet der Benutzer ohne jeden Hinweis des Gerätes, ob er es für notwendig hält, einen "Schock" auszulösen. Dafür ist es notwendig, dass das Gerät das EKG des Patienten anzeigen kann. Zudem ist Erfahrung notwendig, um Artefakte (Störungen, wie zum Beispiel Schrittmacherimpulse) im EKG richtig zu deuten.

Bekannte Geräte sind Lifepak 5, Lifepak 10, Lifepak 12 und corpuls 08/16.

Halbautomat

Halbautomatische Defibrillatoren werden auch als AEDs (automatisierte externe Defibrillatoren) bezeichnet. "Automatisiert" (nicht "automatisch") bedeutet, dass das Gerät selbstständig den Herzrhythmus des Patienten analysiert und erkennt, ob eine defibrillierbare Störung vorliegt. Nur in diesem Fall kann der Bediener einen Stromstoß auslösen. Dadurch ist eine Fehlbedienung weitgehend ausgeschlossen, solche Geräte sind daher auch für medizinische Laien geeignet (Laiendefi).

AEDs werden mittlerweile an vielen öffentlichen Orten vorgehalten - zum Beispiel in Amtsgebäuden, Einkaufszentren, Bahnhöfen und Flughäfen. Meist sind sie an Informationsschaltern etc. untergebracht, damit sofort geschultes Personal zur Verfügung steht. Es gibt aber auch frei zugänglich montierte Defibrillatoren, die jedem Ersthelfer zur Verfügung stehen. Daher stammt auch die Bezeichnung PAD (public access defibrillator).

Auch die sogenannten First Responder, sich immer mehr etablierende Vorausfahrzeuge des Rettungsdienstes, setzen automatisierte Defibrillatoren ein. Eine Defibrillation sollte möglichst schnell erfolgen. Nach Ansicht einiger ist auch die schnelle Zubringung und der professionelle Einsatz des Defibrillators die Haupt-Existenzberechtigung der First-Responder.

Vollautomat (AICD)

Vollautomatische Defibrillatoren werden, ähnlich wie ein Herzschrittmacher, dem Patienten implementiert. Ihre Elektroden haben dann direkten Kontakt zum Herzmuskel und lösen bei Bedarf selbstständig aus. Durch den direkten Kontakt sind viel geringere Energien möglich, der Patient merkt häufig nur einen leichten Schlag - so ähnlich wie beim Anfassen eines elektrischen Weidezauns. In vielen Fällen jedoch wird von Patienten eine fast unerträglich starke Empfindung dieser Therapieabgaben geschildert. Da zumeist mehrere Auslösungen von Elektroschocks dicht hintereinander erfolgen, ist die psychische Belastung enorm hoch und muß in sehr vielen Fällen in der Folge durch Psychologen intensiv betreut werden.

Verfahren

Man unterscheidet die monophasische und biphasische Defibrillation. Letztere ist von russischen Wissenschaftlern in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt worden und stellt das modernere Verfahrendar. Die biphasische Defibrillation kommt mit deutlich geringeren Energien aus, da der Patient vorher mit einer sog. Impendanzmessung "durchgemessen" wird und so bei "niederohmigen" Patienten auf einen hohen Strom verzichtet werden kann. Nur bei "hochohmigen" Patienten (z.B.: adipöse oder dehydrierte Patienten) muss der Strom erhöht werden um die erforderliche Energie an den Herzmuskel zu bringen. Warum die Biphase wesentlich besser wirkt als die Monophase wird immer noch untersucht, man geht allerdings davon aus, daß der Herzmuskel eine gewisse elektrische Energie speichern kann, was in der Folge wieder zu einer Refibrillation (erneutem Flimmern) führen kann. Durch den negativen Anteil in der Biphase wird diese Energie "abgezogen" und eine geordnete Kammererregung ist wieder möglich.

Obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, dass mittels Defibrillation Kammerflimmern beendet werden kann ist die optimale Energiemenge nach wie vor immer noch unklar. Zwar wurde von Weaver und Mitarbeitern bereits 1982 in einer Untersuchung gezeigt, dass prinzipiell Schocks mit 175J und 320J gleich effektiv sind (1). In der selben Studie zeigte sich jedoch, dass mit höherer Schock-Energie auch die Häufigkeit höhergradiger AV-Blockierungen signifikant zunahm. Die für monophasische Defibrillation gängigen Algorithmen spiegeln somit einen bislang nicht verifizierten Kompromiss wider. Man muss letztlich konstatieren, dass die optimale Energie für eine monophasischen Schock zum terminieren von Kammerflimmern nicht bekannt ist.

Daten über den Vergleich monophasischer mit biphasischer Schocks sind nur spärlich verfügbar. Das größte Kollektiv wurde in der ORCA-Studie untersucht (2). Dort zeigte sich, dass ein biphasischer 150J Schock mit 96% Kammerflimmern beenden konnte wogegen ein monophasischer 200J Schock nur in 59% effektiv war. Dieser Unterschied war signifikant; ebenfalls auch die Unterschiede für den zweiten (64% gegen 96%) und dritten Schock (69% gegen 98%). Die Rate der überlebenden Patienten in beiden Gruppen war zwar nicht signifikant unterschiedlich. Aber der Anteil an Patienten mit geringem cerebralem Schaden nach erfolgreicher Reanimation war in der Gruppe der mit biphasischen Defibrillatoren behandelten Patienten besser.

1. Weaver WD, Cobb LA, Copass MK, et al. Ventricular defibrillation?a comparative trial using 175-J and 320-J shocks. N Engl J Med. 1982;307:1101?1106.

2. Schneider T, Martens PR, Paschen H, Kuisma M, Wolcke B, Gliner BE, Russell JK, Weaver WD, Bossaert L, Chamberlain D. Multicenter, randomized, controlled trial of 150-J biphasic shocks compared with 200- to 360-J monophasic shocks in the resuscitation of out-of-hospital cardiac arrest victims. Optimized Response to Cardiac Arrest (ORCA) Investigators. Circulation. 2000 Oct 10;102(15):1780-7.

Ähnliche Anwendungen

Verwandt mit der Defibrillation ist die elektrische Kardioversion. Auch hierbei wird mit einem elektrischen Schock das Herz depolarisiert, um jedoch andere Herzrhythmusstörungen zu beenden. Im Gegensatz zur Defibrillation wird der Schock automatisch nur in einer bestimmten Phase des Herzzyklus abgegeben (synchronisiert mit der R-Zacke im EKG), um die Entstehung von Kammerflimmern zu vermeiden.

Sowohl die Defibrillation als auch die Kardioversion ist sehr schmerzhaft und sollte nicht beim wachen Patienten durchgeführt werden. Bei der Defibrillation (effektiver Kreislaufstillstand) ist der Patient tief bewusstlos, für die Kardioversion wird der Patient jedoch normalerweise in kurze Narkose gelegt.


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