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Hochbegabung

Hochbegabung bezeichnet in der Psychologie ein deutlich über dem Durchschnitt liegendes Maß an intellektueller Begabung. Als hochbegabt gelten (im wissenschaftlichen Sinne) alle Menschen, die in einem Intelligenztest einen IQ erreichen, der nur von 2 % der Gesamtbevölkerung erreicht wird. Intelligenztests sind meist so geeicht, dass dies entweder einem Wert von 130, 132 oder 145 entspricht.

Von dieser Definition zu unterscheiden ist eine umgangssprachliche Verwendung des Begriffs, bei der auch Personen, die in einem bestimmten Bereich hohe Leistungen erzielen, als hochbegabt bezeichnet werden, z.B. Musiker, Schachspieler usw. Das schließt zwar nicht aus, dass sie auch hochintelligent sind. Für derartige Leistungen ist jedoch zusätzlich oder alternativ langjährige Übung und viel Wissen erforderlich. Damit verbunden ist die Frage, welche Facetten von Intelligenz in das Maß der intellektuellen Begabung einfließen (Intelligenztests sind zum Beispiel in der Regel schriftlich).

Hochbegabung als Begriff ist, wie auch die Intelligenz, ein hypothetischer Konstruktbegriff, deswegen hängen die Definitionen von der jeweiligen theoretischen Bezugsbasis ab. In einem relativ weiten Begriffsverständnis lässt sich Begabung als das Gesamte personaler (kognitiver, motivationaler) und soziokultureller Lern- und Leistungsvoraussetzungen definieren, wobei die Begabungsentwicklung als Interaktion (person-)interner Anlagefaktoren und externer Sozialisationsfaktoren zu verstehen ist.

Die Definition des Phänomens Hochbegabung ist stark werte-, norm- und konventionsgebunden; sie wird daher nicht nur von der Gesellschaft geprägt, sondern von dieser auch instrumentalisiert (vgl. die Diskussion über Eliteuniversitäten in Deutschland seit 2004).

Hochbegabte Kinder

Es wird behauptet, Hochbegabung bei Kindern zeige sich schon im Kleinkindalter durch die Ausprägung bestimmter Fähigkeiten, die auf überdurchschnittliche Intelligenz hindeuten. Häufig wären dies eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften:

  • Das Kind hat ein geringes Schlafbedürfnis.
  • Es erreicht Entwicklungsstadien früher und überspringt sie fallweise sogar.
  • Es lernt früh lesen.
  • Es zeichnet sich durch genaue Beobachtung, logisches Denken und gutes Gedächtnis aus.
  • Auffällig ist auch eine ausgeprägte Wissbegierde.
  • In punkto Sprachvermögen, Fantasie und Konzentration ist das Kind seinen Altersgenossen überlegen.
Indikatoren, die auf die kognitive Leistungsfähigkeit abzielen, mögen noch sinnvoll sein. Das frühe Lesen mag früher für Hochbegabung kennzeichnend gewesen sein, kann heute jedoch nicht mehr als indikative Eigenschaft herangezogen werden, da auch viele nicht-hochbegabte Vorschulkinder (bedingt durch die vielfältige Konfrontation mit geschriebener Sprache in unserer Kultur) auch schon früh lesen können. Für das immer wieder behauptete „geringe Schlafbedürfnis” (diese Aussage findet sich auch häufig in den sog. Checklisten zur Identifikation hochbegabter Kinder wieder, wie sie in vielen Ratgebern abgedruckt sind) liegt allerdings kein ernstzunehmender empirischer Beleg vor.

Hochbegabte Kinder können auf Schwierigkeiten im Schulkontext treffen, wenn sie im normalen Unterricht chronisch kognitiv unterfordert werden. Für die Lehrer ist zur adäquaten Behandlung von Hochbegabten im Klassenverband eine spezielle Ausbildung sinnvoll. Unterrichtsmethoden, die einer allzu deutlichen Unterforderung von Hochbegabten vorbeugen, sind beispielsweise die Methode „Lernen durch Lehren”; die Realität schaut oft jedoch so aus, dass Lehrer mit den unterforderten Schülern vollkommen überfordert sind. Insgesamt bleibt dennoch festzuhalten, dass Hochbegabte meist weniger Probleme haben als weniger intelligente gleichaltrige Mitschüler (vgl. dazu die unten zitierte umfangreiche Marburger Längsschnittstudie von Rost)

Dem Bedürfnis der hochbegabten Kinder (und ihrer Eltern) nach Förderung wird hauptsächlich von Privatschulen entsprochen, wie zum Beispiel dem CJD Braunschweig, dem CJD Rostock und dem CJD Königswinter. Inzwischen gibt es allerdings auch staatliche Schulen, die sich der Begabtenförderung widmen, u. a. seit 2001 das Sächsische Landesgymnasium Sankt Afra zu Meißen, das LGH in Schwäbisch Gmünd, oder die Internatsschule Schloss Hansenberg. Eine systematische Förderung hochbegabter Kinder findet mittlerweile auch in Rheinland-Pfalz statt. So gibt es bereits seit 2003 in Kaiserslautern eine Hochbegabtenschule und seit 2004 am Gymnasium Gonsenheim die "Schule für Hochbegabtenfoerderung / Internationale Schule", deren erster Jahrgang (insgesamt 18 Kinder) am 28. Januar 2005 ihre ersten Zeugnisse bekommen hat. In Österreich gibt es die Sir-Karl-Popper-Schule am Wiedner Gymnasium in Wien, sie wurde 1996 gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, Hochbegabte zu fördern und die Ergebnisse ins Regelschulwesen zu übertragen.

Hochbegabte Erwachsene

Hochbegabte Erwachsene finden in den Vereinen Mensa oder hIghQ Gleichgesinnte, wenn sie zu den zwei Prozent der Begabtesten eines Landes gehören. In Deutschland umfasst diese Zielgruppe also gut 1,6 Millionen Menschen.

Hochbegabung ist für manche Betroffenen nicht angenehm. Folgende Behauptungen finden sich in der sog. Ratgeberliteratur: Hochbegabte könnten sich nicht immer verständlich ausdrücken, so dass andere Menschen ihren häufig auf Assoziation und Alliteration beruhenden Gedankensprüngen kaum folgen könnten. Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit erzeugten sie Konfliktsituationen (Konkurrenzdruck), die sie selbst häufig erst spät wahrnähmen. Das Chaos fänden sie in der Regel interessanter als die Ordnung, oder sie entwickelten spontan ganze Ordnungssysteme. Ihre Fantasie mache sie zuweilen anfälliger für Ängste; einem äußeren Erwartungsdruck stünde innerer Selbstzweifel gegenüber. Es könne auch ein ausgeprägteres Gerechtigkeitsgefühl vorzufinden sein, das sie verschieden ausgestalteten; Wertesysteme stellten sie in Frage. Einige Autoren behaupten Korrelationen dieser Art. Auch wenn entsprechende Einzelschicksale immer zu finden sind: Seriöse empirische Studien konnten diese Eigenschaften als angebliche Besonderheiten Hochbegabter nicht bestätigen.

Literarische Figuren, die hochbegabt sind

  • Lisa Simpson von den Simpsons
  • Malcolm aus Malcolm mittendrin
  • Hermine aus Harry Potter
  • Matilda aus Matilda
  • Harry Haller (der Steppenwolf) aus Der Steppenwolf
  • Hans Giebenrath Unterm Rad
  • Paul Atreides Der Wüstenplanet
  • Hannibal Lecter Das Schweigen der Lämmer
  • Martin Becker Unerklärliches unverständlich

Siehe auch: Intelligenz, Genie, Elite, Gelehrtenfamilie, Mathematikerfamilie, Hochbegabung bei Kindern, Begabtenförderung

Literatur

  • Aiga Stapf: Hochbegabte Kinder. München: C.H.Beck 2003
  • Andrea Brackmann Jenseits der Norm - hochbegabt und hoch sensibel?. Klett-Cotta, Stuttgart 2005, ISBN 3-608-89002-5.
    Dieses Buch behandelt insbesondere auch das Thema "hochbegabte Erwachsene".
  • Adele Juda: Höchstbegabung. München: Urban und Schwarzenberg 1953.
  • Christa Anderski: Begabte Kinder hoch begaben. Alein-Verlag, Düsseldorf 2003, ISBN 3-936703-05-1
  • Detlef H. Rost (Hrsg.): Lebensumweltanalyse hochbegabter Kinder. Göttingen: Hogrefe 1993.
  • Detlef H. Rost (Hrsg.): Hochbegabte und hochleistende Jugendliche. Münster: Waxmann 2000, ISBN 3-89325-685-7 .
  • Bruno Schulz: Deutschsprachige Höchstbegabte jüdischer Abstammung und ihre Verwandtschaft. Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre 32 (1955) 418-448.
  • Ida Fleiß: Hochbegabung und Hochbegabte. Mit Berichten Betroffener. Tectum Verlag Marburg, 2002. ISBN 3-8288-8452-0.

Weblinks