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Mutterliebe

Mutterliebe bezeichnet die Liebe von Müttern zu ihren Kindern, im engeren Sinne eine vor allem durch die Geburt herausgehobene besonders starke Gefühlsbindung zu ihren leiblichen Kindern. Seltener wird in dem Begriff auch die (erwiderte) Liebe der Kinder zu der Mutter eingeschlossen. Gegenwärtig und insbesondere auch in Mitteleuropa, stellt eine von der Mutter, auch nach außen dargestellte, Liebe bis hin zur Selbstlosigkeit quasi eine Erwartungshaltung der Gesellschaft dar, die Mutterliebe wird vielfach als die ursprünglichste und stärkste Form der Liebe angesehen. Unausgesprochen wird oft voraus gesetzt, dass die Mutterliebe zu allen Kindern gleich stark sei(n solle).

Mutterliebe wird dementsprechend also als Regel erwartet und beobachtet. Sie ist jedoch weder eine notwendige Folge der Mutterschaft, noch lässt sich die Liebe einer Mutter auf biologische Mütter begrenzen. Pflegemütter oder, nach neuesten Entwicklungen, auch Leihmütter) können ebenso innige Beziehungen und Gefühle entwickeln.
Es bleiben jedoch wesentliche Unterschiede im Entscheidungsprozess für das Kind. Der biologische Mutter steht (allenfalls) eine Entscheidung "für" ein Kind zur Verfügung. Die Geburt des Kindes begründet, zumindest biologisch, unumstößlich die Mutterschaft zu eben diesem Kind. Pflegeeltern haben in der Regel eine Entscheidungsphase, in der sie sich für ein Kind entscheiden oder sogar auswählen können. Einerseits liegt beispielsweise bei einer Adoption eines Kindes eine bewußtere Entscheidung für dieses vor, andererseits liegt in der Unwiderruflichkeit der biologischen Mutterschaft eine Form der Bindung, die sowohl bei anstrengenden Pflege und Erziehung von Kleinkindern bis hin zu Konflikten mit erwachsenen Kindern vereinfachend sein kann. Nicht zuletzt können die biologischen Eltern sowohl Erbanlagen als auch Erziehung in erster Linie auf sich selbst zurückführen.

Äußerungsformen der Mutterliebe

Neben dem erst in jüngerer Zeit romantisierten Gebärvorgang ist insbesondere das Stillen mit Muttermilch ein Kernbereich, in dessen Zusammenhang die Mutterliebe und gesellschaftlich die Alleinstellung der biologischen Mutter gesehen wird. Jedoch gilt auch hier, dass nicht nur die biologische Mutter ein Kind stillen kann, von der Amme über die insbesondere im orientalischen Raum bekannte Milchmutter bis hin Füttern des Kindes mit industriellen Produkten aus Milchpulver gibt es hier viele Möglichkeiten. Mütter erleben das Stillen durchaus unterschiedlich und ambivalent, so dass "erfüllte" Liebe keineswegs das alleinige oder vorherrschende Gefühl dabei darstellen muss.

Wie beim allgemeineren Begriff der Liebe, wird auch unter der Mutterliebe je nach den Maßstäben von verschiedenen Gruppen, Zeiten oder ganzen Kulturen etwas Anderes verstanden. Dies bezieht sich insbesondere darauf, worin sich "Mutterliebe" oder als verwandter Begriff, Mütterlichkeit überhaupt, im Einzelnen äußert. Eine innig-intime Gefühlsbetontheit wäre vor 200 Jahren eher ungewöhnlich gewesen, hier hätte man eher Aufopferungswillen und tätige Sorge als Merkmal von Mutterliebe verstanden, und einen mit zuviel Zärtlichkeit bedachten Jungen beispielsweise schnell als "Muttersöhnchen" tituliert.

Biologisches

Eine biologische These ist, dass Mutterliebe-analoges Verhalten (bei Tieren spricht man eher von Mutter-Kind-Bindung) evolutionär entstanden sei und bei manchen Säugetierarten, besonders bei Primaten die eine lange Entwicklungszeit der Kinder haben, der Arterhaltung und sozialen Lernprozessen diene. Das ganze Spektrum der Wortbedeutung Mutterliebe beim Menschen ist aber sicher nicht durch diesen biologischen Erklärungversuch abgedeckt. Eine enge Mutter-Kind-Bindung tritt auch nicht bei allen Säugetieren auf. Nachdem das ganze Verhalten beim Menschen stärker durch kulturelle und soziale Prozesse als durch biologische Grundlagen geprägt ist, können Menschen jedenfalls auch ohne Liebe ihrer leiblichen Mutter aufwachsen (und sogar eine 'gute Mutter' werden), vor allem dann, wenn dafür institutionell vorgesorgt wird.

Anthropologisches

Mutterliebe im gefühlsbetonten Sinn, als Grundlage einer Mutter-Kind-Beziehung, gibt jedoch dem Kind im Säuglingsalter eine gute Chance, ein "Urvertrauen" zu seiner Umgebung auf zu bauen (vgl. Dieter Claessens' Familie und Wertsystem), das nach einem Jahr die "Sozialisation", das Lernen der jeweiligen gesellschaftlichen Regeln und Normen, sehr erleichtert. Doch muss sich dieses Urvertrauen des Kindes nicht notwendigerweise auf die biologische Mutter fixieren, so dass auch Vater, Großeltern oder eine biologisch nicht verwandte Person die Funktion der primären Bezugsperson einnehmen können. Der Sozialisationstheoretiker Alfred Lorenzer spricht von der Mutter-Kind-Dyade, in der die Mutter auch die erste "Schnittstelle" zur Gesellschaft darstellt, also aktiv an der Sozialisation des Kindes teilhat.

Psychologisches

Zugleich gibt es aber auch psychologische und psychoanalytische Erklärungen, die - von der gesellschaftlich vorgegebenen Form der Mutter-Kind-Beziehung ausgehend - das Beziehungs- und Emotionsgeflecht zwischen Mutter und Kind analysieren und ggf. das spätere Mutterverhalten beim geliebten oder ungeliebten Kind einbeziehen.

So unterscheidet z. B. Erich Fromm in Die Kunst des Liebens zwischen mütterlicher und väterlicher Liebe. Demnach erführe man die mütterliche Liebe bedingungslos, während man sich väterliche Liebe z.B. durch gute Zeugnisse oder herausragende sportliche Leistungen verdienen müsse. Dabei ist allerdings auch laut Fromm die mütterliche Liebe nicht der leiblichen Mutter vorbehalten, sondern gleichfalls eine Folge der gesellschaftlichen Organisation der Kindheit. Die Rolle der Mutter ist also auch bei Fromm ein Platzhalter für die Rolle der primären Bezugsperson des Kindes, die aber gleichwohl im Regelfall die leibliche Mutter einnimmt.

Soziologisches

Wie erwähnt, wird Mutterliebe in vielen Kulturen, insbesondere auch im mitteleuropäischem Raum, gesellschaftlich als 'natürlich' unterstellt, so dass die Verletzung dieser Selbstverständlichkeit der Rechtfertigung bedarf. Durch diese gesellschaftliche Erwartung und sogar Überhöhung haben Konzepte der "Mutterliebe" damit auch stark ideologischen Charakter und können damit sehr anspruchsvoll, ja sogar unerfüllbar sein. Ob es überhaupt bei Menschen "von Natur" ein solches Gefühl gebe, ist anthropologisch durchaus umstritten; bei Tieren gibt es jedenfalls völlig unterschiedlich ausgeprägte mütterliche Instinkte, die durchaus auch gänzlich ohne Schutz und Pflege auskommen.

Die Unterstreichung der Mutterliebe gegenüber der väterlichen Liebe (Vaterliebe) und die daraus abgeleitete Vermutung einer engeren Bindung zwischen Mutter und Kind, wird, insbesondere in rechtlichen Konflikten, beispielsweise bei Scheidungen, kulturell - das heißt in unterschiedlichen Kasten, Ständen, Klassen, Schichten, Berufsgruppen - sehr unterschiedlich gehandhabt.

Dies gilt auch für andere sprachliche Betonungen eines Elternteils, wie Muttersprache und Vaterland.


Siehe auch: Mutter, Liebe, Vaterliebe, Inzest, Amme