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Antiepileptika

Ein Antikonvulsivum (von gr. anti - gegen, lat. convulsio - Krampfanfall; Plural Antikonvulsiva) ist ein Arzneimittel, das zur Behandlung oder Verhinderung von epileptischen Krampfanfällen eingesetzt wird. Synonym wird daher auch der Name Antiepileptikum verwendet.

Chemie

Die Gruppe der Antikonvulsiva ist eine chemisch sehr heterogene Arzneistoffgruppe. Klassische Vertreter sind die Benzodiazepine (z.B. Diazepam und Clonazepam), Barbiturate (z.B. Phenobarbital und Primidon), Suximide (z.B. Mesuximid und das strukturanaloge Phenytoin), das von tricyclischen Antidepressiva abgeleitete Carbamazepin und Oxcarbazepin sowie Valproinsäure.

Einige neuere Antikonvulsiva, wie Gabapentin, Vigabatrin, Tiagabin und Pregabalin leiten sich struktuell von der γ-Aminobuttersäure (GABA) ab.

Die ebenfalls neuen Antikonvulsiva Topiramat, Felbamat und Levetiracetam zeigen hingenen keinerlei Ähnlichkeit mit anderen klassischen Arzneistoffen.

Pharmakologie

Anwendungsgebiete

Entsprechend der Manigfaltigkeit der Symptomatik epileptischer Anfälle zeigen Antiepileptika bei unterschiedlichen Epilepsieformen unterschiedliche prophylaktische Wirksamkeit. Während Carbamazepin bei den auf einen Epilepsieherd beschränkten fokalen Anfällen als Mittel der ersten Wahl gilt, wird Valproinsäure bei primär und sekundär generalisierten Anfällen bevorzugt eingesetzt.

Im Status epilepticus, einem Zustand mit rascher Folge epileptischer Anfälle, haben sich insbesondere die Benzodiazepine (Diazepam und Clonazepam) als Notfallmedikamente bewährt.

Darüber hinaus besitzen zahlreiche Antiepileptika weitere Indikationsgebiete. So wird Phenytoin als Antiarrhythmikum eingesetzt. Benzodiazepine finden als Schlaf- und Beruhigungsmittel Anwendung. Barbiturate wurden früher ebenfalls als Sedativa eingesetzt. Carbamazepin ist auch zur Therapie neuralgischer Schmerzen und zur Behandlung manischer Depressionen zugelassen.

Wirkmechanismus

Alle derzeit auf dem Markt befindlichen Antikonvulsiva unterdrücken symptomatisch epileptische Anfälle. Da Erregungen im Zentralnervensystem als Ursache von Konvulsionen angesehen werden, greifen Antikonvulsiva über eine Hemmung der Erregbarkeit von Neuronen oder über eine Hemmung der Erregungsweiterleitung im Zentralnervensystem ein.

Auf molekularer Ebene können entsprechend der chemischen Heterogenität der Antikonvulsiva unterschiedliche Wirkmechanismen beobachtet werden. So führen beispielsweise Phenytoin, Carbamazepin, Lamotrigin, Oxcarbazepin und Valproinsäure zu einer Inaktivierung von spannungsabhängigen Na+-Kanälen. Durch die Hemmung dieser Ionenkanäle verlieren die entsprechenden Neurone die Fähigkeit krampfvermittelnde hochfrequente Reize weiterzuleiten. Auf ähnliche Weise wirken die Suximide Mesuximid und Etosuximid durch eine Hemmung spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle (T-Typ).

Über rezeptorgekoppelte Ionenkanäle wird die Wirksamkeit von Benzodiazepinen, Barbituraten, Topiramat und Felbamat erklärt. Felbamat führt über eine Blockade der Glycin-Bindungsstelle des NMDA-Rezeptors und Topiramat über eine Blockade des AMPA-Rezeptors zu einer Hemmung der entsprechenden Ionenkanäle (insbesondere Na+). Benzodiazepine erhöhen die Öffnungswahrscheinlichkeit der Chloridkanäle des GABAA-Rezeptors, während Barbiturate die Öffnungsdauer erhöhen. Eine erhöhte Chloridleitfähigkeit führt wie auch eine verminderte Natriumleitfähigkeit zu einer Hemmung der Erregungsweiterleitung.

Unabhängig von einer Wirkung auf Ionenkanäle sind die antikonvulsiven Effekte von Viagabtrin, Tiagabin und Gabapentin. Vigabatrin (und partiell auch Valproinsäure) verlangsamt den Abbau des erregungshemmenden Neurotransmitters GABA durch die GABA-Transaminase. Tiagabin ist ein "Reuptake-Hemmer" und hält einen hohen GABA-Spiegel im synaptischen Spalt aufrecht. Der Wirkmechanismus von Gabapentin ist hingegen noch nicht vollständig geklärt.

Nebenwirkungen

Charakteristische Nebenwirkungen, die bei der Mehrzahl der Antikonvulsiva beobachtet werden können, sind Schwindel, Müdigkeit und Ataxie. Weitere Nebenwirkungen gelten als substanzspezifisch.

Schwangerschaft: Zahlreiche antiepileptisch wirksame Stoffe sind teratogen (z.B. Valproinsäure) oder führen zu Entwicklungsverzögerungen beim Fötus (z.B. Benzodiazepine). Da epileptische Anfälle selbst Schäden beim Kind verursachen können, ist die Anwendung von Antiepileptika in der Schwangerschaft eine Nutzen-Risiko-Abwägung.

Geschichte

Die evidenzbasierte Anwendung der Antiepileptika ist auf das Jahr 1912 zurückzuführen, als der Neurologe Alfred Hauptmann das zuvor als Schlafmittel genutzte Phenobarbital in die Therapie einführte. Im Jahr 1937 wurde mit Phenytoin erstmals ein nichtsedierendes Therapeutikum auf den Markt gebracht. Phenytoin stand ebenfalls Pate für eine Reihe weiterer, bis heute angewendeter Antikonvulsiva der Klasse der Suximide. In den 1950er Jahren wurden von L.H. Sternbach die Benzodiazepine entwickelt, die seit den 1960er Jahren die antikonvulsive Therapie bereichern. Im gleichen Zeitraum wurde die antiepileptische Wirksamkeit der Valproinsäure entdeckt, die bis heute als ein Mittel der ersten Wahl gilt. Seit den 1980er Jahren wurden zahlreiche weitere antikonvulsive Wirkstoffe in die Therapie eingeführt, von denen insbesondere das Gabapentin hervorgehoben werden sollte.

Arzneistoffe

Bei einem Anfall werden Benzodiazepine mit antikonvulsiven Eigenschaften wie die folgenden verabreicht:

Zur Vorbeugung werden hingegen diese verabreicht:

  • Carbamazepin (Tegretal®, Timonil®, Neurotop® retard, Carbium®)
  • Ethosuximid (Petnidan®, Suxilep®, Suxinutin®)
  • Felbamat (Taloxa®)
  • Gabapentin (Neurontin®)
  • Lamotrigin (Lamictal®, Elmendos®, Bipolam®, Lamapol®)
  • Levetiracetam (Keppra®)
  • Mesuximid (Petinutin®)
  • Oxcarbazepin (Trileptal®, Timox®)
  • Phenobarbital (Lepinal®, Luminal®)
  • Phenytoin (Epanutin®, Phenhydan®, Zentropil®)
  • Primidon (Liskantin®, Mylepsinum®, Resimatil®)
  • Sultiam (Ospolot®)
  • Tiagabin (Gabitril®)
  • Topiramat (Topamax®)
  • Trimethadion
  • Valproat (Ergenyl®, Orfiril®, Valprolept®)
  • Vigabatrin (Sabril®)
  • Pregabalin®

Siehe auch: Epilepsie


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