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Opfermythos

Opfermythos ist ein Begriff, der - meist in populärwissenschaftlicher Form - zur Charakterisierung speziell von gesellschaftlichen Gruppen verwendet wird.

Das Selbstverständnis vieler Kollektive (Völker, sozialer Gruppen, Religionsgemeinschaften usw.) wird durch die - tatsächliche oder eingebildete - eigene Rolle als Opfer in der Geschichte geprägt. Dieses kollektive Gefühl, Opfer von anderen Mächten oder dem Lauf der Geschichte zu sein, erleichtert den Umgang mit Verlusten, führt aber auch zu einer Abwehrhaltung, die es den Mitgliedern dieser Gruppen erschwert, sich unbefangen mit der eigenen Rolle in der Geschichte und der Gegenwart auseinanderzusetzen.

Der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland lässt sich unter anderem mit dem Mythos erklären, den viele Deutsche um die Niederlage im Ersten Weltkrieg aufgebaut hatten. Die Propagande der Nazis hat besonders in der Endphase des Zeiten Weltkriegs gezielt die Vorstellung unterstützt, Deutschland opfere sich im Kampf gegen den Bolschewismus.

Als modernes Beispiel für die negativen Auswirkungen eines Opfermythos wird Serbien genannt, dessen historisches Selbstverständnis sich zu einem guten Teil aus der Niederlage gegen die Türken bei der Schlacht auf dem Amselfeld speist. Die Einschätzung als Opfer der Christenheit gegenüber dem anstürmenden Islam habe, so einige Beobachter, die Kriegslust der Serben in Bosnien-Herzegowina aber auch im Kosovo geschürt.

Auch dem Staat Israel wird von Kritikern vorgeworfen, dass die harte Rolle gegenüber den Palästinensern im Nahostkonflikt wesentlich durch die jüdischen Erfahrungen mit Jahrhunderten antisemitischer Verfolgung bestimmt werde.

Österreichs traditionelles Verständnis als Opfer Nazideutschlands (seit dem Anschluss 1938) kann man in diesem Zusammenhang als psychologische Ursache sehen, mit der die Betroffenen jahrelang die Aufarbeitung der eigenen Mitverantwortung für den Nationalsozialismus abwehrten. Zumindest von offizieller Seite hat man sich davon in den letzten Jahren mehrheitlich abgesagt.