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Kinderlähmung

Die Kinderlähmung, klinisch (anatomisch) auch die Poliomyelitis (epidemica anterior acuta) (älteres, gelehrtes Griechisch ?????????????, neuer ?????????????? - die Entzündung des Grauen Marks, von ?????? - der graue und ?????? [männlich] - das Mark), kurz die Polio oder die Heine-Medin-Krankheit ist eine von Polioviren hervorgerufene meldepflichtige ansteckende Krankheit, die nicht nur, aber überwiegend Kinder im Alter zwischen drei und acht Jahren befällt.

Verlauf

Oftmals (in bis zu 95 % der Fälle) verläuft die Infektion völlig symptomfrei: Nur weniger als 10 % der Angesteckten machen eine etwa dreitägige fieberhafte "Erkältung" als Prodromalstadium durch, allerdings auch manchmal mit Hirnhautbeteiligung im Sinne einer Meningitis. Daran kann sich nach einer Latenzzeit von 3?4 Tagen bei 0,1 % der Infizierten die gefürchtete paralytische Form anschließen: Charakteristisch für den plötzlichen Beginn dieser Phase ist eine "Morgenlähmung" des noch am Vorabend gesunden Kindes!

Pathogenese

Das Virus befällt die Nervenzellen des Rückenmarks, die die Bewegungsimpulse von dort an die Muskulatur weitergeben. Als Reaktion wandern körpereigene Abwehrzellen (Lymphozyten, Leukozyten, und Plasmazellen) ins Rückenmark ein, wobei eine Entzündung die Nervenzellen letztlich zerstört. Die Folgen sind mehr oder weniger ausgeprägte, ungleichmäßig verteilte motorische schlaffe Lähmungen, v.a. an den Beinen (es kann aber auch z.B. durch Affektion der Hirnnerven IX und X die Atemfunktion zum Erliegen kommen), meist unter Erhaltung des Berührungssinnes.

Weiterer Verlauf

Nach Entfieberung ist meist kein weiteres Fortschreiten der Lähmungen zu erwarten, außer bei etwa 10% dieser Erkrankten, bei denen teilweise erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Infektion noch Lähmungen als Spätfolge auftreten (Ursache unbekannt, vielleicht Verschleiß noch verbliebener Nervenzellen durch Überbeanspruchung).

Normalerweise bilden sich die Symptome aber innerhalb eines Jahres zurück, jedoch können Lähmungen, Durchblutungs- und Hauternährungstörungen als Dauerschaden zurückbleiben; auch Gelenkschäden aufgrund der Lähmungen und der veränderten Statik wie Skoliose der Wirbelsäule und Fußdeformitäten sowie gebremstes Längenwachstum einzelner Extremitäten können das Kind im Wachstum zum Invaliden machen. Für Erkrankte, bei denen Lähmungen auftreten, liegt die Letalität bei etwa 2-20%.

Diagnostik

(Siehe Poliovirus)

-Klinische Beobachtung der auftretenden Lähmung -Virusisolierung und -nachweis aus Stuhl, Rachensekret und aus dem Liquor

Während der 1. Krankheitsphase kommen fast alle fieberhaften Infektionen in Frage. Die auftretenden Lähmungen können auch durch Coxsackie- und ECHO-Virus-Infektion, Frühsommermeningoenzephalitis, Diphtherie, Neuritis und Guillain-Barre-Syndrom verursacht werden.

Therapie

Es gibt keine kausale (auch keine antivirale) Therapie, aber eine prophylaktische Impfung ist möglich und äußerst sinnvoll. Die Impfung wurde im Allgemeinen als Schluckimpfung mit abgeschwächten Erregern verabreicht . Leider birgt die Impfung mit den geschwächten, doch lebens- und vermehrungsfähigen Viren auch Risiken: Als in der Sowjetunion zwischen 1963 und 1966 die Impfungen ausgesetzt wurden, sprangen die Viren aus dem Impfstoff auf noch ungeimpfte Kinder über und es kam zu einer Verbreitung der Krankheit. [1]

Da die Polio inzwischen aus Europa weitgehend verschwunden ist, wurde dieses Risiko als nicht mehr akzeptabel erachtet. Deshalb wird Polio heute mit einem Totimpfstoff geimpft, jedoch nicht oral.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO versucht seit einigen Jahren, die Kinderlähmung (ähnlich wie vorher schon die Pocken) weltweit auszurotten.

(Zur Epidemiologie siehe auch Poliovirus)

Literatur

  • Fabian Feil, Adolf Windorfer, Sabine Diedrich, Eckhard Schreier: Von der Prävention bis zur Ausrottung. WHO-Projekt der Polioeradikation und ihre Überwachung als gesundheitspolitische Herausforderung an die Medizin in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 97(40), S. A2598 - A2599 (2000), ISSN 0012-1207
Konrad Beyrer: WHO-Programm zur Polio-Eradikation: Ghana - eine Erfolgsgeschichte. Deutsches Ärzteblatt 100(5), S. A243 - A244 (2000), ISSN 0012-1207
  • Anonymus: Globale Polioeradikation - zwischen Bangen und Zuversicht. Hygiene und Medizin 29(11), S. 400 - 401 (2004), ISSN 0172-3790

Weblinks