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Selbstbild

Selbstbild heißt das Bild, das jemand von sich selbst hat bzw. macht. Gegensatz: Fremdbild: die Bilder, die andere von einem haben. Der Begriff ist in seiner Grundbedeutung klar. Die genaue Bedeutung hingegen schwankt von Anwender zu Anwender, von Psychologe zu Psychologe. Diese vieldeutige Unklarheit ist eine direkte Folge der noch nicht angemessenen entwickelten begrifflich- operationalen Normierung in der Psychologie.

Zu einem Selbstbild können im Prinzip alle Aspekte ("Dimensionen") gehören, die jemand von sich selbst haben kann. Und genau das spiegelt das praktische Bedeutungs- und Definitionsproblem wider. Im konkreten Fall meint man ganz bestimmte, meist nicht näher ausgeführte Kriterien (Aspekte).

Die innere Struktur des Selbstbildes setzt sich zusammen aus:

  • 1. kognitiven Elementen, den Vorstellungen von den eigenen Eigenschaften und dem eigenen Wesen

  • 2. aus emotional-affektiven Elementen, aus Selbstliebe und Antriebsgestimmtheit

  • 3. aus volitiv-wertenden Elementen, der Selbsteinschätzung und der entsprechenden Einstellung zur eigenen Persönlichkeit

Die Funktion des Selbstbildes für die psychische Regulation des Verhaltens besteht in der Motivierung der Ichbeteiligung und in der Organisation, der Gerichtetheit von Verhalten und Erleben. Die Übereinstimmung von Selbstbild und Wunschbild sowie die von Selbstbild und Fremdbild sind wesentliche Voraussetzungen für die Leistungsfähigkeit, die psychische Gesundheit und zu angemessenem interpersonalen Umgang der Person. Im folgenden seien daher zunächst einige Dimensionen des "Selbstbildes" aufgezählt:

Dimension Identität

Das bin ich: Name, Alter, Geschlecht, Lebensort. Die Identitätsfunktion ist eine psychopathologisch sehr wichtige Funktion, die gestört sein kann (z.B. bei multiplen Persönlichkeiten oder in Psychosen). Im Grunde ist die Identitätsfunktion ein Rätsel. Denn: obwohl wir alle uns ständig ändern, neue Erfahrungen machen, älter werden, vergessen, dazu lernen, bleibt die Identität bei Gesunden erhalten: stests fühle ich mich als der einundderselbe identische Mensch. Die Identität ist für Gesunde so etwas wie eine psychologische Konstante über das ganze Leben hinweg. Das trifft für das Selbstbild ansonsten nicht zu: dieses unterliegt einem Wandel und ist veränderungsfähig.

Dimension Körper und äußere Erscheinung

Das ist mein Körper, der zu mir gehört und so sehe ich - derzeit - aus. Ich habe die und die Gestalt, Figur, Größe, Gesicht; Gesundheit, Krankheit, Beweglichkeit, Un/ Versehrtheit, Beweglichkeit, Behinderung. Körper und äußere Erscheinung können zudem eine Bewertung hinsichtlich der Attraktivität, die man sich selbst zuordnet, erfahren. Hier gibt es also zwei ganz unterschiedliche Beurteilungen: die Wahrnehmung einerseits und die Bewertung dieser Wahrnehmung andererseits.

Dimension Herkunft, Familie und Sozialisation

Ich komme da und da her, stamme von diesen und jenen ab, bin in der und der Familie aufgewachsen und habe diese oder jene Sozialisation erfahren.

Dimension Anlage und Begabungen

Ich habe diese oder jene (genetischen) Anlagen und Begabungen (Ressourcen) für meine Selbstverwirklichung.

Dimension Fähigkeiten und Fertigkeiten

Ich habe diese oder jene Fähigkeiten und Fertigkeiten (z.B. handwerklich, geistig, praktisch, hauswirtschaftlich, technisch, sprachlich, mathematisch, naturwissenschaftlich, kommunikativ, künstlerisch, psychologische), das und dieses kann ich so oder so gut.

Dimension Bildung, Ausbildung, Arbeit und Beruf

Bildung, Ausbildung, Arbeit und Beruf gehören zum Selbstbild dazu. Für Kleinkinder sind Kindergarten und Hort, für Schüler die Schule, für Studenten die Universität, für Hausfrauen/-männer und Rentner der Haushalt der Arbeitsplatz. Anhaltende Arbeitslosigkeit kann das Selbstwertgefühl beeinträchtigen.

Dimension Vitalität und Vitalbedürfnisse

Ich brauche für mein Leben dieses und jenes, das ist und das ist sehr wichtig für mein Leben: Essen, trinken, Ausscheidung, Schlaf, atmen, Schutz, Abwechslung. Die Vitalbedürfnisse sind im allgemeinen lebensnotwendig und unverzichtbar.

Dimension Wünsche, Interessen, Ziele, Träume

Ich würde gerne so und so leben, wäre gern diese oder jene, würde gerne dieses oder jenes erleben und erfahren, möchte gerne dieses oder jenes tun (beruflich, persönlich, kulturell, sozial, öffentlich: in meiner Rolle als Bürger u.a.m). Wie möchte ich mein Leben gestalten (Lebensträume), wonach strebe ich, was ist mir wichtig, wo liegen meine Hauptinteressen?

Dimension Charakter und Werte

Ich orientiere mich an folgenden Grundwerten, z.B. Echtheit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit (Vertragstreue), Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität, Selbst / Verantwortung usw. bzw. mein höchster Wert ist meine eigene Glückseligkeit, die anderen interessieren mich nur insofern als sie ich sie dafür nutzen kann (Egoismus)

Dimension Lebens- und Wohnformen

Man kann verschiedene Lebensformen und Grundorientierungen u.B. nach gesellschaftlichen Schichten und Zugehörigkeiten unterscheiden, z.N. Typ bürgerlich, proletarisch, Bohemien, alternativ, akademisch, aristokratisch, Single, Außenseiter/ Randgruppe; Single-, Wohngemeinschafts-, Ehe- oder "Lebensabschnittsgefährtenschaftstyp" ... Siehe z.B. auch homo oeconomicus

Dimension Erfahrungen

Hierher gehört, was einer alles schon erfahren und erlebt hat (habe ich nur in den Computer geglotzt, Videos geschaut und ferngesehen oder auch richtig gelebt?).

Dimension Haben, Geld und Besitz

Vermögen, Sach- und Geldwerte, Anleihen (Bonds), Sparguthaben und Geld spielen für mehr Menschen eine wichtigere Rolle als sie sich oftmal eingestehen. Was habe ich, wie gut bin ich gesichert (Versicherungen) sind hier die Fragen. Empfehlenswert ist natürlich, seine Lebenszufriedenheit nicht auf diese Dimension aufzubauen.

Dimension Sozialbeziehungen

Zu mir gehören auch meine zwischenmenschlichen und Sozialbeziehungen, das Milieu, in dem ich mich bewege und bewegen mag ("Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir, wer Du bist").

Dimension Entspannung, Erholung, Freizeit, Spiel, Sport, Muse, Muße, Vergnügen

Zum Selbstverständnis und zur Eigencharakteristik eines Menschen gehört auch, wie er den Reproduktionsbereich, Freizeit, Erholung, Entspannung, Spiel, Sport, Muse, Muße und Vergnügen gestaltet und lebt.

Meta-Dimensionen

Das Selbstbild läßt sich für psychologisch-psychotherapeutische Zwecke noch wie folgt betrachten und klassifizieren:
  • Wertigkeit: positiv, negativ, ambivalent (zwiespältig)
  • Stabilität: konstante Wertigkeit, oder fragil, flüchtig, wechselhaft.
  • Kongruenz: Selbst- und Fremdbild sollten innerhalb des Lebensmilieus in für wichtig erachteten Dimensionen nicht zu sehr oder/ und zu stark voneinander abweichen, um nicht Dauerkonflikte und Beziehungsprobleme hervorzurufen.
Im allgemeinen gilt, dass jeder Mensch ein im Grunde stabiles und positiv kongruentes Selbstbild haben will und sollte.

Lebensregel

Ein positives Selbstbild wird gefördert durch eine Umgebung, die einen in seinem Selbstbild bestätigt, wertschätzt und unterstützt. Es ist daher sinnvoll, sich als Erwachsener sein soziales und zwischenmenschliches Umfeld entsprechend einzurichten und zu gestalten. Metapher: wer sein Zelt auf einem Misthaufen stellt, bei dem wird es stinken.

Wichtige verwandte oder dazugehörige Begriffe

  • Charakter
  • Fremdbild
  • Ich (Ideal-Ich, Norm-Ich, Vital-Ich, Real-Ich, Super-Ich)
  • Ich-Identität
  • Identität
  • Persönlichkeit, Persönlichkeittheorie
  • Selbst
  • Selbstakzeptanz
  • Selbstbehauptung
  • Selbstbewertung
  • Selbstbewußtsein
  • Selbstdurchsetzung
  • Selbstkonzept
  • Selbstsicherheit
  • Selbstvertrauen
  • Selbstverwirklichung
  • Selbstwahrnehmung
  • Selbstwerdung (Fritz Riemann)
  • Selbstwert, Selbstwertgefühl
  • Selbstachtung

Hinweis Weblink: Mehr noch und Glossar mit Kurzkennzeichnungen: [1]

Besondere Bilder

Zur Warnung ;-): Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst .... Die verschiedenen Ebenen und Projektionen machen die Selbstbildforschung nicht nur sehr spannend und attraktiv, sondern auch sehr verwirrend und schwierig. Ein paar Beispiele können die Probleme verdeutlichen:

  • Selbstbild: so sehe ich mich ...
  • Selbstwunschbild: so wäre ich gern ...
  • Projiziertes Selbstbild: ich denke, du siehst mich so ...
  • Projiziertes Selbstwunschbild: ich denke, du möchtest, dass ich bin ...
  • Selbstakzeptanzbild: ich akzeptiere bei mir ...
  • Reflexiv projiziertes Selbstbild: du meinst, ich sehe mich so ...

Literatur

  • Filipp, S.-H. (1979. Hrsg.). Selbstkonzeptforschung. Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Kegan, Robert (dt. 3.A. 1986, engl. 1982). Die Entwicklungsstufen des Selbst. Fortschritte und Krisen im menschlichen Leben.
  • Krappmann, (1978). Soziologische Dimensionen der Identität. Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Laing, R.D.; Phillipson, H. & Lee, A.R. (dt. 1976, engl. 1966). Interpersonelle Wahrnehmung. Frankfurt: Suhrkamp.
  • Mead, G. H. (1978). Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp.
  • Schutz, A. (2003). Psychologie des Selbstwertgefühls. Von Selbstakzeptanz bis Arroganz. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Sponsel, R. (1982). Theorie der Wahrnehmungsebenen. In: CST, 01-10-01 bis 06. Erlangen: IEC-Verlag. ISSN-0722-4524.
  • Sponsel, R. (1998). Identität, Ich, Selbst-Konzept-Varianten. In: Kristina, 108-112. Erlangen: IEC-Verlag.