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Psychophysik

Die Psychophysik beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen physikalischen Reizen und den Empfindungen, die sie beim Menschen auslösen. Dies kann sich auf alle Wahrnehmungsbereiche beziehen: Psychophysik wird sowohl mit optischen, akustischen, als auch mit Geruchs- und Geschmacksreizen und mit allen Arten der Körperwahrnehmung betrieben. Entsprechend der verschiedenen Wahrnehmungsarten gibt es verschiedene Untergruppen der Psychophysik, wie etwa die Psychoakustik.

Der Ausdruck Psychophysik geht auf den deutschen Philosophen und Naturforscher Gustav Theodor Fechner zurück. Wichtige Vorarbeiten wurden von Ernst Heinrich Weber (1795-1878) geleistet. Die Einführung der Psychophysik Mitte des 19. Jahrhunderts gilt als der Beginn der Psychologie auf naturwissenschaftlicher Grundlage.

Übersicht

Allen psychophysikalischen Ansätzen ist gemein, dass sie versuchen, einer physikalischen Eigenschaft eines Reizes, die so genannte Reizgröße eine subjektische Empfindung, die Empfindungsgröße zuzuordnen. Dies geschieht im Rahmen von psychologischen Experimenten, in denen Probanden gebeten werden, ihre Wahrnehmungen variierender Reize in Zahlenwerten auszudrücken.

Ein Beispiel aus der Psychoakustik: Ein Ton wird zunächst in einer festen Grundlautstärke präsentiert. Der Proband wird dann gebeten, die Lautstärke über einen Regler so einzustellen, dass er den Ton gerade als doppelt so laut empfindet als die Grundlautstärke. Die Lautstärke ist hier die Reizgröße, die vom Proband empfundene Lautheit die Empfindungsgröße. Durch Wiederholung dieser Hörversuche mit verschiedenen Lautheitniveaus lässt sich so ein Zusammenhang zwischen Lautheit und Lautstärke finden.

Auch wenn solche Experimente und insbesondere das Konzept der Empfindungsgröße auf den ersten Blick recht willkürlich und vor allem hoch subjektiv anmutet, sind die Ergebnisse zwischen Versuchpersonen durchaus vergleichbar. Durch Mittelung vieler Experimente wird der so gefundene Zusammenhang allgemein gültig. So haben die beschriebenen Lautheitsexperimente zum Beispiel die Grundlage für die Lautheitsskala Phon (beziehungsweise Sone) geliefert.

Beispiele für Reiz- und Empfindungsgrößen

Akustik

  • Schall - Hörereignis
  • Lautstärke - Lautheit
  • Frequenz - Tonheit
  • Spektrum - Klang
  • Position der Schallquelle - Lokalisation der Schallquelle

Optik

  • Intensität - Helligkeit
  • Lichtfrequenz - Farbe

Körperwahrnehmung

  • Druck (real - gefühlt)
  • Temperatur (real - gefühlt)
  • Darmausdehnung

Geruchs- und Geschmackssinn

  • chemische Konzentration eines Stoffes - Stärke des Geruchs/Geschmacks

Konzepte der Psychophysik

  • Wahrnehmungsschwellen
Wie groß muss eine Reizgröße sein, damit sie überhaupt eine Empfindung hervorruft?

  • Unterscheidungsschwellen
Wie stark müssen sich zwei Reize unterscheiden, damit sie eine unterschiedliche Empfindung hervor rufen? Wird auch just noticable difference (JND) genannt.

  • psychophysische Funktionen
Funktionaler Zusammenhang zwischen Reizgröße und Empfindungsgröße. So kann im obigen Beispiel durch die psychophysische Funktion jedem Dezibel-Wert ein Phon- oder Sone-Wert zugeordnet werden.

Grundgesetze der Psychophysik

Die Gesetze von Ernst Heinrich Weber und Gustav Theodor Fechner machen allgemeine Aussagen, die unabhängig von der Art des Reizes gelten. Obwohl schon im 19. Jahrhundert gefunden, sind sie für viele Wahrnehmungen zumindest nährungsweise gültig.

Das Weber'sche Gesetz besagt, dass die Unterscheidungsschwelle \Delta R nur von der Stärke des Ausgangsreizes R abhängt:

\frac{\Delta R}{R} = const.

Fechners Gesetz hingegen bezieht sich auf die psychophysikalische Funktion und stellt folgenden Zusammenhang zwischen Reizgröße R und Empfindungsgröße E her:

E = k \cdot \log R

wobei k eine Konstante ist, die von der Art des entsprechenden Reizes abhängt. Diese logarithmische Beziehung ist beispielsweise bei der Lautstärke-Lautheits-Funktion näherungsweise erfüllt.

Bedeutung und Einordnung der Psychophysik

Die Psychophysik stellt eine klassische Disziplin der Psychologie dar. Sie untersucht die gesetzmäßigen Zusammenhänge zwischen veränderlichen quantitativen Größen, die Voraussetzung oder Bestandteil elementarer Wahrnehmungsleistungen sind. Im weiteren Sinne werden mit der Psychophysik auch Ansätze und Verfahrensweisen bezeichnet, die die Aufgabenstellung dieser Disziplin sinngemäß auf komplexere Vorgänge der Wahrnehmung und auf andere psychische Vorgänge ausdehnen. Man kann zum Beispiel von einer Psychophysik der Mustererkennung und allgemein von einer Psychophysik kognitiver Prozesse sprechen. Die Ergebnisse der Psychophysik sind von beträchtlicher Bedeutung für die psychologische Theoriebildung und für Fragestellungen der Erkenntnistheorie, hier speziell der Wahrnehmungspsychologie.

Darüber hinaus sind sie zu einer unentbehrlichen Grundlage für die Untersuchung und Standardisierung von Umweltfaktoren geworden, die Befinden, Leistungsfähigkeit und Sicherheit des Menschen in Situationen des alltäglichen Lebens beeinflussen.

Die Methoden der Psychophysik wurden zum Vorbild für zahlreiche Methodenentwicklungen in und außerhalb der Psychologie. Sie konnten zum Teil mit Erfolg zur Ermittlung praktisch wichtiger komplexer Größen, zum Beispiel zur Messung subjektiven Nutzens (siehe Entscheidungsmodell), subjektiver Belastung sowie von sozialen und ästhetischen Eindrücken und von Einstellungen herangezogen werden.

Verallgemeinerungen der klassischen Methoden der Psychophysik sind fester Bestandteil der psychologischen Skalierungstheorie.

Siehe auch