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Herzinfarkt

Ein Myokardinfarkt (MI) bzw. Herzinfarkt ist eine Zerstörung von Herzmuskelgewebe, nach herrschender medizinischer Lehrmeinung aufgrund einer Durchblutungsstörung, meist im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit (KHK).

Im Gegensatz zum Angina pectoris-Anfall kommt es beim Herzinfarkt fast immer zum kompletten Verschluss eines oder mehrerer Herzkranzgefäße, am häufigsten durch Entstehung von Blutgerinnsel in einer arteriosklerotisch veränderten Engstelle. Auslösende Faktoren können plötzliche Belastungen und Stress-Situationen mit stärkeren Blutdruckschwankungen sein, 40 % aller Infarkte passieren in den frühen Morgenstunden (24?6 Uhr).

Der Herzinfarkt ist eine der Haupttodesursachen in Wohlstandsländern. Inzidenz in Österreich/Deutschland: 300 Infarkte / 100.000 Einwohner / Jahr; davon enden ca. 30 % tödlich

Risikofaktoren

Ursächlich findet sich beim Herzinfarkt ein Verschluss der Herzkranzgefäße meist im Rahmen einer Arteriosklerose. Dementsprechend gelten nach der internationalen Studie Interheart folgende Risikofaktoren, mit denen bis zu 90 Prozent des Herzinfarkt-Risikos vorausgesagt werden können:

Hauptrisikofaktoren

  • Rauchen (beträchtliche Risikoerhöhung durch gleichzeitige Einnahme der Antibabypille).
  • Stoffwechselstörungen:
    • Fettstoffwechselstörungen (abnormes Verhältnis der beiden Blutfettanteile Apolipoprotein B und Apolipoprotein A-1).
    • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit).
    • Hyperhomocysteinurie.
    • Hyperurikämie ('Gicht').
  • Bluthochdruck.
  • Stress.
  • Vererbung (Positive Familienanamnese, d.h. Verwandte ersten Grades haben bereits einen Infarkt durchlebt).
  • Geschlecht: Männer sind häufiger betroffen, ab dem 50. Lebensjahr steigt aber das Risiko eines Herzinfarkts bei Frauen auf fast die gleiche Inzidenz.
  • Indirekt: Übergewicht, Fehlernährung und Bewegungsmangel.

Daraus ergibt sich, dass der Herzinfarkt eine Erkrankung vor allem sozial benachteiligter Menschen in Wohlstandsgesellschaften ist. Diese rauchen überproportional häufig, sind dauerhaftem Stress ausgesetzt, sind häufiger übergewichtig und leiden damit auch viel häufiger an Stoffwechselstörungen.

Der regelmäßige Konsum von wenig Alkohol, vermutlich zu den Mahlzeiten, senkt das Herzinfarktrisiko. Beim exzessiven Alkoholkonsum steigt allerdings das Risiko von Herzinfarkten, sowie anderer schwerer Erkrankungen.

Symptome

Herzinfarkt-Patienten klagen über Brustschmerzen unterschiedlicher Stärke und Qualität. Beschrieben werden unter anderem stechende Schmerzen, aber auch ein Druck- oder Engegefühl im Brustkorb (als ob „jemand auf einem sitzen würde”). Die Schmerzen können je nach betroffenem Herzmuskelareal in die Arme (häufiger links), den Hals, die Schulter, den Oberbauch oder den Rücken ausstrahlen. Man spricht dabei auch von einem so genannten "Vernichtungsschmerz". Oft tritt auch Atemnot, Angstgefühl (Todesangst), Blässe, Übelkeit, Erbrechen und Schweißneigung auf. Teilweise kollabieren die Patienten und bleiben bewusstlos.

Im Gegensatz zum Angina-pectoris-Anfall sprechen diese Beschwerden nicht auf Nitroglycerin an.

Die beschriebene Symptomatik kann ? öfters bei Frauen und besonders bei Diabetikern aufgrund einer diabetischen Nervenschädigung (Polyneuropathie) ? abgeschwächt sein oder auch vollkommen fehlen ("Stiller Infarkt").

Siehe auch: Koronare Herzkrankheit

Diagnostik des Herzinfarktes

Die Diagnose wird zum einen anhand der Symptome, außerdem durch EKG-Untersuchungen und Anstieg gewisser (mehr oder weniger spezifischer) Herzenzyme im Blutserum gestellt.

  • Körperliche Untersuchung und Anamnese, häufig mit typischen Beschwerden.
  • EKG.
  • Echokardiografie.
  • Herzkatheter Nachweis von Verschlüssen und Engstellen in den Herzkranzgefäßen.
  • Laborwerte (Herzenzyme):
    • Troponin I und T - spezifisch und sehr sensitiv, ab 3 Stunden nach Infarktbeginn Troponin I und T sind herzmuskelspezifisch und sehr sensitiv.
    • Laktatdehydrogenase (LDH).
    • Kreatinkinase (CK) und Herzmuskelkreatinkinase (CK-MB).
Die meisten Enzyme steigen innerhalb der ersten 20 Minuten an, und normalisieren sich innerhalb von 140 bis 160 Stunden nach dem Infarkt. Jediglich das Laktat als Stoffwechselprodukt der anaeroben Zellatmung steigt innerhalb von Minuten und sinkt innerhalb einer Stunde auf Normwerte.

Beispiel für falsch positive und falsch negative Diagnose beim Herzinfarkt

Die Diagnose Herzinfarkt wird wegen Ihrer Dringlichkeit häufig gestellt. In der Differentialdiagnose muss immer auch ein Pneumothorax, eine Lungenembolie oder Herzneurose, seltener eine Gallenkollik oder ein Lungenödem anderer Ursache abgeklärt werden. Weiterhin können Aortendissektioen zu ähnlichen Beschwerden führen, allerdings auch einen Herzinfarkt auslösen.

In den USA werden pro Jahr etwa 6 Millionen Frauen und Männer aufgrund von Schmerzen in der Brust unter der Verdachtsdiagnose Herzinfarkt in eine Klinik eingewiesen. Im Verlauf der Diagnostik stellt sich dann heraus, dass von diesen Patienten nur etwa 32 % tatsächlich einen Infarkt erlitten haben. Bei 68 % von ihnen war die Diagnose Infarkt nicht korrekt (falsch positive Verdachtsdiagnose).

Anderseits werden in jedem Jahr etwa 34.000 Patienten aus dem Krankenhaus entlassen, ohne dass ein tatsächlich vorhandener Herzinfarkt erkannt wurde (ca. 0,8 % falsch negative Diagnose). Dies trifft vor allem auf ältere Patienten und solche mit Diabetes mellitus zu.

Therapie

Erste Hilfe

  • Ein Herzinfarkt ist ein lebensbedrohender Notfall. Unverzügliche Alarmierung des Notarztes. Rettungskette beachten.
  • Beruhigung, Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, Hemd öffnen und Gürtel öffnen, Frischluftzufuhr, ständige Vitalzeichenkontrolle
  • Bei Patienten, die ein bekanntes Angina Pectoris-Leiden haben, ist oftmals Nitro-Spray vorhanden; dem Patienten dies holen, jedoch nicht eigenmächtig verabreichen.
  • Den eintreffenden Rettungskräften den Weg zeigen (Nachbarn oder Familienangehörige zum Einweisen auf die Straße schicken)

Bei optimaler Versorgung und schnellstmöglicher Einweisung ist die Prognose, einen Herzinfarkt ohne bleibende Schäden zu überstehen, um ein vielfaches besser als bei zu später Einweisung.

Medizinische Erstversorgung

Die medikamentöse Erstversorgung durch den Rettungsdienst beziehungsweise den Notarzt orientiert sich an dem sogenannten MONA(B)-Schema:

  • Morphiumgabe (5?20 mg), auch bei weniger starken Schmerzen, da Morphin auch positiven Einfluß auf das Bronchialsystem hat und die Sauerstoffversorgung verbessert, Vorlast und Nachlast am Herzen werden gesenkt.
  • Gabe von Sauerstoff (Oxygen) >4l/min.
  • Gabe von Nitraten zur Erweiterung der Gefäße und Entlastung des Herzes (z. B. 2 Hub s. l. = 0,8 mg). Dies dient auch zur Differenzierung eines Angina pectoris-Anfalls.
  • Acetylsalicylsäure 1000 mg i. v. zur Blutverdünnung (Thrombozytenaggregationshemmer).
  • Bei stabilen Kreislaufverhältnissen ß-Blockade (z. B. Metoprolol 5mg i. v.) mit einer Ziel Herzfrequenz von <70/min.

Folgende Maßnahmen sind entsprechend der Situation einzuleiten:

  • Bei kardiogenem Schock Gabe von Katecholaminen.
  • Zusätzlich zur Acetylsalicylsäuregabe hochdosiert (als "Loading Dose") Clopidogrel (600 mg).
  • Gabe von niedermolekularem Heparin (z. B. Clexane©) subkutan ist der intravenösen Heparin-Na-Gabe zur dauerhaften Blutverdünnung vorzuziehen.
  • Sedierung des Patienten z.B. mit Benzodiazepinen (5?10 mg), vorzugsweise Diazepam (Handelsname Valium).
  • Bei Atemstillstand Intubation und künstliche Beatmung, "künstliches Koma" = Analgosedierung
  • Gegebenenfalls die Gabe eines Antiemetikums, um die Wirkung von Morphin auf das Brechzentrum zu unterbinden.

Reperfusionstherapie

Ziel ist eine möglichst rasche Wiedereröffnung des betroffenen Herzkranzgefäßes, um die Herzmuskulatur wieder mit Sauerstoff zu versorgen und eine Ausdehnung des Infarktgebietes zu verhindern. Dafür gibt es zwei Behandlungsoptionen:
  • Ballongefäßdilatation, sogenannte PTCA und Stent-Implantation. In diesem Verfahren wird über die Leistenarterie ein Katheter bis in die betroffenen Herzgefäße vorgeschoben und die Verschlussstelle mit einem Ballon aufgebrochen. Zumeist wird außerdem ein Stent eingelegt, der das Wiederverschließen des Gefäßes verhindern soll. Moderne Stents sind zusätzlich mit Medikamenten beschichtet, die einen langsamen Wiederverschluss dauerhaft verhindern können.
  • Alternativ kann eine systemische oder lokale Lysetherapie durchgeführt werden. Dabei werden Blutgerinnsel-auflösende Medikamente, zumeist Tenecteplase (Handelsname Metalyse©) in das Herzgefäß lokal eingespritzt oder alternativ Streptokinase oder Urokinase systemisch intravenös gegeben. Die Gefahr dieser Behandlungsmethode ist die erhöhte Blutungsneigung, dies gilt insbesondere für Streptokinase, welches lange im Blutkreislauf verweilt.

Nachbehandlung im Krankenhaus

Bleibt ein Herzinfarkt unbehandelt, so ist die Sterberate je nach Ausmaß des Infarktareals sehr hoch. Eine engmaschige intensivmedizinische Kontrolle ist deshalb nötig:
  • Bettruhe, Überwachung (Monitoring) auf der Intensivstation (48 Stunden).
  • Sauerstoffgabe.
  • Betablocker zur Rhythmusstabilisierung (in der Akutphase neuerdings umstritten, langfristig lebensverlängernd)
  • Acetylsalicylsäure niedrig dosiert (100mg/d) lebenslang
  • ggf. Clopidogrel (z.B. Plavix©', Iscover©'') zusätzlich, insbesondere nach Stentimplantation
  • Statine lebenslang (Ziel-LDL-Cholesterin < 70 mg/dl!)
  • ACE-Hemmer mittel- und langfristig, nicht unbedingt in der Akutphase
  • Niedermolekulares Heparin zur Blutverdünnung
  • Glycoprotein IIb/IIIa-Antagonisten in der Akutphase, meist in Verbindung mit akuter Koronarintervention (Plättchenaggregationshemmung)
Auch nach dem Klinikaufenthalt muss der Patient mit lebenslanger Medikation rechnen, die im Wesentlichen der oben genannten entspricht. Besondere Aufmerksamkeit wird außerdem gelegt auf striktes Rauchverbot, optimale Einstellung des Blutdrucks, eines Diabetes Mellitus und der Blutfette, Normalisierung des Lebenswandels und Stressabbau, Gewichtsnormalisierung und gesunde Ernährung und maßvolles körperliches Training. Nach einem Herzinfarkt wird deshalb eine Rehabilitation in einem Herzzentrum angestrebt.

Siehe auch: Krankengymnastische Maßnahmen nach Herzinfarkt, Mobilisation nach Herzinfarkt

Komplikationen

Fast immer kommt es zur Ausbildung von Herzrhythmusstörungen (95-100 %), auch bei kleinen Infarkten. Ventrikuläre Tachykardien bis hin zum Kammerflimmern sind die häufigste Todesursache beim Herzinfarkt, deshalb wird ständige Überwachung und Defibrillationsbereitschaft in den ersten 2 Tagen auf einer Intensivstation gesichert.. Gegebenenfalls erfolgt eine Behandlung mit Antiarrhythmika. Auch ein externer oder ein passagerer Herzschrittmacher sollte zur Verfügung stehen.

Falls große Areale des Herzens betroffen sind (mehr als 30 % der Muskulatur), kann es zur Ausbildung eines kardiogenen Schocks kommen, bei dem das Herz durch die Herzmuskelschädigung nicht mehr in der Lage ist, eine ausreichende Kreislauffunktion aufrecht zu erhalten (schlechte Prognose, zweithäufigste Todesursache).

Ein Herzwandaneurysma kann sich aufgrund der Wandschwäche nach einem Herzinfarkt ausbilden. Hierbei entwickelt sich eine Auswölbung der geschädigten Herzwand, was zu einer verschlechterten Herzfunktion, der Bildung eines Thrombus durch gestörten Blutfluss, arteriellen Embolien oder im schlimmsten Fall zu einer Ruptur (Platzen) der Auswölbung führen kann. Bei einer Ruptur kommt es zu einer akuten Herzbeuteltamponade, welche sofort entlastet werden muss. Auch kann sich im weitern Verlauf eine Entzündung des Herzbeutels oder des Herzmuskels entwickeln.

Alternativmeinungen zur Infarktgenese

Es gibt etliche Argumente, die gegen die vorherrschende Betrachtungsweise der Infarktgenese ausschließlich als Durchblutungsstörung sprechen:
  • Obwohl sklerotische Veränderungen über alle drei Herzkranzgefäße etwa gleichmäßig verteilt sind, ist der MI eine Erkrankung fast ausschließlich des linken Ventrikels.
  • Der Zunahme der Häufigkeit von Infarkten im vergangenen Jahrhundert steht die relative Konstanz des Vorkommens von sklerotischen Koronarveränderungen gegenüber.
  • Häufig haben sich obturierende Thromben der Koronarien als Folge und nicht als Ursache des Infarkts erwiesen.
  • Pathologische Studien haben übereinstimmend eine relativ geringe Häufigkeit von Infarkten im Vergleich zum Vorkommen von thrombotischen Verschlüssen festgestellt.
  • Es gibt eindeutig beobachtete Infarkte ohne Koronarverschlüsse, allerdings gibt es keine Untersuchungen zur Häufigkeit solcher Infarkte.

Es sieht so aus, als ob sich der Infarkt nicht nur auf der morphologischen Ebene abspielt, sondern eher als ein im Myokard stattfindendes zelluläres Ereignis anzusehen ist, bei dem der Sympathikus eine entscheidende (Auslöser)-Rolle spielt und bei dem die Sklerose eher eine Verstärkerposition einnimmt. Die obigen Ausführungen zu Symptomen, Diagnostik und Therapie betrachten den MI ausschließlich als morphologisches Ereignis, als Folge eines sklerotischen Prozesses in den Herzkranzgefäßen.

Zitat

Der Herzinfarkt ist, wie wir Ärzte wissen, kein Ereignis ex vacu [aus heiterem Himmel]. Er bereitet sich sehr sorgsam vor, sammelt alle Frustrationen und Erschöpfungen, um dann zuzuschlagen. - Paul Lüth (Brief aus einer Landarztpraxis, 1971)

Siehe auch

Stress-Kardiomyopathie (Broken-Heart-Syndrom) - Ergometrie - Strophantin

Weblinks


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